2. Ausschreibung: Vier zusätzliche Projekte ausgewählt
Zweite Ausschreibung im NFP 79 «Advancing 3R»: Das NFP verstärkt sich mit vier zusätzlichen Projekten aus den Geistes- und Sozialwissenschaften.
Um die 3R in der Schweiz und darüber hinaus voranzubringen, braucht es nicht nur biomedizinische und technische Innovationen, sondern auch neue Ansätze für den gesellschaftlichen Diskurs. Mit diesem Ziel im Hinterkopf hat die Leitungsgruppe des NFP 79 eine zweite Ausschreibung spezifisch für Projekte im Bereich Geistes- und Sozialwissenschaften lanciert. Vier herausragende Projekte hat die Leitungsgruppe an einem Meeting Ende Januar 2023 ausgewählt und wird diese mit einem Budget von insgesamt 1,8 Millionen Franken unterstützen.
Forschungsprojekt 1 – Eine Ethik des Übergangs
Im Grundsatz werden die 3R als Basis für die Regulierung von Forschung an Tieren verstanden. Im September 2021 stimmte das EU-Parlament für die Ausarbeitung eines Plans zur langfristigen Abschaffung von Tierversuchen (phase-out plan). Auch in der Schweiz geht es zunehmend um den Übergang zu einer versuchstierfreien Forschung und nicht nur um Regulierung. Dies wirft wichtige Fragen auf: Was ist der langfristige Zweck der 3R-Prinzipien? Handelt es sich bei den 3R um einen Ausstiegsplan, der auf die Vision einer völlig schadenfreien Wissenschaft abzielt? Falls ja, ist dieser Ausstiegsplan gerecht? Ziel dieses Forschungsprojektes von Nico Müller von der Universität Basel ist es, Antworten auf diese Fragen zu finden.
Forschungsprojekt 2 – Organoide und ihr Status im Schweizer Recht
Organoide, also aus Stammzellen aufgebaute «Mini-Organe», sind eine hoffnungsvolle Alternative zu Tierversuchen. An ihnen sollen in Zukunft zum Beispiel Wirkstoffe getestet werden. Auch im Rahmen des NFP 79 werden Projekte in diesem Bereich gefördert. Aber wie steht es um den rechtlichen Status solcher Organoide? Wo gibt es allenfalls rechtliche Hürden bei deren Entwicklung und Anwendung? Gibt es Unterschiede zwischen den einzelnen Organoid-Geweben (zum Beispiel Herz, Muskel, Hirn)? Das Projekt von Alfred Früh, Professor für Privatrecht an der Universität Basel, wird Antworten auf diese Fragen liefern.
Forschungsprojekt 3 – Eine politische und ethische Analyse der Debatte über Tiere in der Forschung
Die Forschung mit Tieren wird in der Schweiz seit Jahrzehnten debattiert, insbesondere dann, wenn es zu Volksabstimmung kommt. Die Schweizer Tierschutz-Gesetzgebung orientiert sich stark an den 3R-Prinzipien, aber wie bekannt sind diese eigentlich in der Schweizer Bevölkerung? Wie hat sich die öffentliche Debatte über Tierversuche über die vergangenen Jahrzehnte entwickelt? Welche politischen und ethischen Argumente werden verwendet und wie haben sie sich über die Zeit verändert? Caroline Brall und Caroline Schlaufer von der Universität Bern werden sich in den kommenden Jahren im Rahmen dieses NFP-Projektes mit den Fragen beschäftigen.
Forschungsprojekt 4 – Die Schaden-Nutzen-Analyse verbessern
Ob ein Tierversuch zugelassen wird oder nicht basiert auch auf einer sogenannten Schaden-Nutzen-Analyse. Allerdings ist eine solche Analyse oft schwierig durchzuführen und stellt Forschende wie Zulassungsbehörden vor grosse Herausforderungen. Was gilt als Schaden? Wie ist die Gewichtung so genannt pathozentrischer Schäden (z. B. Schmerzen, Ängste) gegenüber nicht-pathozentrischer Schäden (z. B. Instrumentalisierung des Tiers)? Mit welchen Methoden können wir die Interessen von Menschen und Versuchstieren am besten vergleichen? Dies sind einige Kernfragen, um die sich das Team von Matthias Eggel, Ethiker an der Universität Basel, kümmern wird.
Mit diesen vier zusätzlichen Projekten umfasst das NFP nun total 27 Projekte. Wir heissen die neuen Projektteams ganz herzlich willkommen und freuen uns auf die Zusammenarbeit.